Generalprobe für den 5. Kontinent
Lausitzer Rundschau
Von Ulrike Elsner
Der Cottbuser Geologe Rolf Striegler entziffert die Tagebücher von Ludwig Leichhardt
COTTBUS Der 200. Geburtstag Ludwig Leichhardts in diesem Jahr ist Anlass für Ausstellungen, die Einrichtung eines Leichhardt-Trails und sogar für die Züchtung einer neuen Dahlie. Doch besonders nahe kommt dem Australienforscher, wer sich mit seinen Tagebüchern beschäftigt. Der Cottbuser Geologe Rolf Striegler ist dabei, sie in gedruckte Lettern zu übertragen und damit für jedermann zu erschließen.
Es ist eine Mammutaufgabe. Und Rolf Striegler, ehemals Mitarbeiter des Naturkundemuseums Cottbus und heute als Rentner im Naturwissenschaftlichen Verein der Niederlausitz aktiv, gibt zu, dass er sie anfangs unterschätzt hat. Acht Stunden täglich, sieben Tage die Woche sitzt er über den Fotokopien der Tagebücher, die im Nachlass Ludwig Leichhardts gefunden wurden und heute zum Bestand der Universitätsbibliothek Göttingen gehören. Seine selbst gewählte Aufgabe ist es, die Leichhardts Tagebücher seiner Reise durch Frankreich, Italien und die Schweiz 1840 bis 1841 zu transkribieren. Teil 1 liegt bereits vor und widmet sich Südfrankreich. Der nächste Teil "Ludwig Leichhardts Tagebuch von seiner Reise nach Neapel 1840/41" soll Mitte Mai erscheinen.
Was die Sache so schwierig macht? "Leichhardts Tagebuch ist ein sehr persönliches Dokument und deshalb für Außenstehende nicht immer verständlich", sagt Striegler. Außerdem habe er sich meist der altdeutschen Schreibschrift bedient, sei aber immer wieder zur lateinischen Schrift gependelt. Hinzu kommen eine sehr flüchtige Schrift, Abweichungen von der Orthografie, individuelle Abkürzungen und die Verwendung zahlreicher fremdsprachiger Begriffe.
Dennoch ist sich Striegler sicher: "Ludwig Leichhardt hat seit seiner Jugend Tagebuch geführt und uns damit einen sehr intimen Blick in sein Leben gewährt." Von besonderem Interesse sei das Tagebuch seiner Reise 1840/1841, "weil es Auskunft gibt über den Stand der wissenschaftlichen Ausbildung Leichhardts und den Grad seiner Kenntnisse auf naturwissenschaftlichem Gebiet". Was er über Geologie, Mineralogie, Zoologie und Botanik zusammengetragen habe, sei um so bemerkenswerter, als er keinen Universitätsabschluss auf diesen Gebieten erworben hat. Leichhardt, der das Abitur 1831 in Cottbus abgelegt hatte, wollte ursprünglich Lehrer werden und hat sich in die Naturwissenschaften erst eingearbeitet, als er finanziell nicht mehr in der Lage war, ein entsprechendes Studium zu finanzieren. In seinen letzten Berliner Studienjahren war er ganz auf die Unterstützung seines Freundes William Nicholson angewiesen. Als dieser 1837 sein Medizinstudium beendete, war Leichhardt gezwungen, sein eigenes Studium ohne Abschluss abzubrechen. "Weihnachten 1837 haben sie das erste Mal darüber diskutiert, gemeinsam eine naturwissenschaftliche Forschungsreise in wenig bekannte Gebiete zu unternehmen", erzählt Rolf Striegler. Von Australien sei aber damals noch nicht die Rede gewesen. Vielmehr sollte es anfangs in die Karibik gehen. "Nachdem aber Weihnachten 1839 William Nicholsons Bruder Mark und sein Schwager verkündet hatten, dass sie nach Australien gehen wollten", so Striegler, "rückte dieser Kontinent nun auch für Ludwig und William ins Blickfeld." Ihre gemeinsame achtmonatige Reise von 1840/41 sei als Generalprobe für ihre Entdeckungsreise durch Australien gedacht gewesen.
"Ein Abenteurer war Ludwig Leichhardt nicht", ist sich Striegler sicher. Vielmehr sei er süchtig nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis gewesen und habe dafür manche Unbequemlichkeit auf sich genommen und viel Ausdauer an den Tag gelegt. So war Leichhardt durchschnittlich 35 Kilometer am Tag, an einem Tag sogar 64 Kilometer, zu Fuß unterwegs, während William häufig die Kutsche genommen habe. Dabei habe Leichhardt häufig mit Krankheiten zu kämpfen gehabt. "Er hat Flecken vor Augen gesehen und unterwegs Zahnschmerzen bekommen", sagt Rolf Striegler. Und in der Schweiz habe ihm ein Wundarzt ein Ekzem aufschneiden müssen.